L-Lysin - Warum ist es in der Entspannungs Mischung?

L-Lysin - Warum ist es in der Entspannungs Mischung?

Von Jannika Dänzer, Medizinstudentin und Biochemie-Expertin  von the Minerals

L-Lysin – eine essenzielle Aminosäure mit vielseitigen Wirkungen

Lysin ist eine essenzielle proteinogene Aminosäure, die der menschliche Körper nicht selbst synthetisieren kann und daher zwingend über die Nahrung aufnehmen muss. Sie ist ein zentraler Baustein für das Wachstum, die Erhaltung und die Reparatur von Geweben. Besonders reich an Lysin sind tierische Eiweißquellen wie Fleisch, Fisch, Milchprodukte und Eier; in pflanzlichen Lebensmitteln ist der Gehalt deutlich niedriger, weshalb vor allem bei vegetarischer oder veganer Ernährung eine suboptimale Versorgung möglich ist¹.
Lysin erfüllt im menschlichen Stoffwechsel eine Vielzahl physiologischer Funktionen, die weit über die reine Proteinsynthese hinausgehen. Diese Eigenschaften machen die Aminosäure auch für den präventiven Einsatz als Nahrungsergänzungsmittel (NEM) interessant.

Biochemische Grundlagen und Funktionen

Lysin ist ein unverzichtbarer Bestandteil von Struktur- und Enzymproteinen. Eine Schlüsselrolle spielt es in der Bildung von Kollagen und Elastin, den Hauptbestandteilen von Bindegewebe, Haut, Knochen und Blutgefäßen². Ohne ausreichendes Lysin kann die Hydroxylierung von Prolin- und Lysinresten im Kollagen nicht in vollem Umfang erfolgen, was die Stabilität der Kollagenfasern beeinträchtigt². Dies erklärt, warum Lysin besonders für die Wundheilung, Hautelastizität und Knochengesundheit von Bedeutung ist.

Darüber hinaus ist Lysin an der Carnitin-Synthese beteiligt, einer Verbindung, die für den Transport von Fettsäuren in die Mitochondrien und damit für die Energiegewinnung aus Fetten notwendig ist³. Über diesen Mechanismus wirkt Lysin indirekt auf den Energiestoffwechsel und die mitochondriale Gesundheit.

Eine weitere Funktion besteht in der Modulation der Kalziumaufnahme: Studien zeigen, dass Lysin die intestinale Kalziumresorption erhöht und gleichzeitig die renale Kalziumausscheidung senkt, was einen positiven Einfluss auf die Knochenmineraldichte haben kann⁴.

Lysin bei Herpes-simplex-Infektionen

Das wohl am besten belegte Anwendungsgebiet von Lysin ist die Prophylaxe und Therapie von Herpes-simplex-Virus-(HSV)-Infektionen. Zahlreiche klinische Studien zeigen, dass eine regelmäßige Supplementation von Lysin die Häufigkeit, Dauer und Schwere von Herpesrezidiven reduzieren kann5.

Der Mechanismus beruht auf der strukturellen Ähnlichkeit von Lysin und Arginin: Da HSV für seine Replikation auf Arginin angewiesen ist, konkurriert Lysin mit Arginin um Transporter und Einbau, wodurch die Virusvermehrung gehemmt wird.

Eine systematische Übersicht kam zu dem Schluss, dass Dosierungen von 1–3 g/Tag Lysin, kombiniert mit einer argininarmen Ernährung, die Rückfallhäufigkeit signifikant senken können6. Damit stellt Lysin eine klinisch relevante Option in der adjuvanten Behandlung wiederkehrender HSV-Infektionen dar – insbesondere bei Personen mit häufigen Rezidiven.

Knochen- und Muskelgesundheit

Die Rolle von Lysin in der Kalziumregulation und Kollagenbildung prädestiniert die Aminosäure für die Unterstützung der Knochengesundheit. Studien an postmenopausalen Frauen zeigen, dass Lysin zusammen mit Vitamin D und Kalzium die Knochenmineraldichte stabilisieren kann und potenziell Osteoporose vorbeugt⁴.

Auch für die Muskulatur ist Lysin unverzichtbar: Als limitierende Aminosäure in Getreideproteinen stellt es bei vegetarischer Ernährung einen möglichen Engpassfaktor für den Muskelaufbau dar. Eine ausreichende Zufuhr kann hier die Proteinsynthese optimieren.

In Kombination mit Arginin zeigte Lysin in Humanstudien zudem eine stimulierende Wirkung auf die Ausschüttung von Wachstumshormon7, was langfristig für Regeneration und Muskelstoffwechsel relevant sein könnte.

Psychische Gesundheit und Stressregulation

Ein weiteres spannendes Feld ist die Wirkung von Lysin auf das zentrale Nervensystem. Tierexperimentelle und klinische Studien deuten darauf hin, dass Lysin angstlösende und stressreduzierende Effekte entfalten kann.

Eine randomisierte Studie zeigte, dass die Anreicherung von Weizenmehl mit Lysin bei Proband:innen in stressreichen Alltagssituationen zu einer signifikanten Reduktion von Stresshormonen und Angstsymptomen führte8.
Vermutet wird, dass Lysin als partieller Antagonist am Serotonin-5-HT4-Rezeptor wirkt und so die serotonerge Neurotransmission moduliert. Damit könnte Lysin zur Stressresilienz beitragen – ein Aspekt, der in unserer modernen Gesellschaft zunehmend an Bedeutung gewinnt.

Lysin und kardiovaskuläre Gesundheit

Ein besonderes Forschungsinteresse gilt der Rolle von Lysin im Zusammenhang mit Arteriosklerose und Gefäßgesundheit. Der zweifache Nobelpreisträger Linus Pauling postulierte bereits in den 1990er-Jahren, dass Lysin zusammen mit Vitamin C die Bindung von Lipoprotein(a) an geschädigte Gefäßwände hemmen und so arteriosklerotischen Prozessen entgegenwirken könne9.

Auch wenn diese Hypothese kontrovers diskutiert wird, gibt es Hinweise aus präklinischen Modellen und kleineren Humanstudien, dass Lysin protektive Effekte auf Gefäßstrukturen entfalten könnte. Erste kleine Humanstudien deuten zudem auf eine mögliche Verbesserung der Endothelfunktion und eine Reduktion vaskulärer Kalzifizierungen hin. Diese Daten sind jedoch als vorläufig einzustufen und bedürfen einer Bestätigung durch größere randomisierte Studien.

Sicherheit und Dosierung

Lysin gilt in üblichen Dosierungen als sicher. In klinischen Studien wurden Mengen zwischen 500 mg und 3 g pro Tag über Wochen bis Monate ohne schwerwiegende Nebenwirkungen eingesetzt1,10. Höhere Dosierungen können gastrointestinale Beschwerden wie Bauchschmerzen oder Diarrhoe verursachen.
Bei Personen mit Nieren- oder Lebererkrankungen ist Vorsicht geboten, da der Aminosäurestoffwechsel hier beeinträchtigt sein kann.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat für Lysin keine spezifische obere sichere Aufnahmemenge definiert. Eine Supplementierung von 1–3 g pro Tag gilt für gesunde Erwachsene als sicher und in bestimmten Anwendungsgebieten (Herpesprophylaxe, Knochengesundheit, Stressmodulation) potenziell sinnvoll.

Fazit

L-Lysin ist weit mehr als nur ein „Baustein“ der Proteinsynthese. Es erfüllt vielfältige physiologische Aufgaben, die von der Kollagen- und Carnitinbildung über die Kalziumregulation bis hin zur Immunmodulation reichen.

Am besten belegt ist seine Wirkung bei der Prävention und Behandlung von Herpes-simplex-Infektionen, wo es eine deutliche Reduktion von Rezidiven bewirken kann. Darüber hinaus sprechen wachsende Evidenzen für positive Effekte auf die Knochengesundheit, die psychische Resilienz und möglicherweise sogar die kardiovaskuläre Gesundheit.

Auch wenn weitere groß angelegte Humanstudien notwendig sind, unterstreichen die bisherigen Daten, dass Lysin als Nahrungsergänzungsmittel einen sinnvollen Beitrag zur Optimierung der Gesundheit leisten kann – insbesondere bei vegetarischer oder veganer Ernährung, in der die Lysinversorgung potenziell limitiert ist.

Quellenverzeichnis

  1. Hayamizu K, Furukawa Y, Arai S. Comprehensive safety assessment of L-lysine supplementation in humans. J Nutr. 2020;150(Suppl 1):2561S-2569S. doi:10.1093/jn/nxaa218
  2. Matthews DE. Review of lysine metabolism with a focus on humans. J Nutr. 2020;150(Suppl 1):2548S-2555S. doi:10.1093/jn/nxaa224
  3. Rebouche CJ. Carnitine function and requirements during the life cycle. FASEB J. 1992;6(15):3379-3386. PMID:1464372
  4. Civitelli R, Villareal DT, Agnusdei D, Nardi P, Avioli LV, Gennari C. Dietary L-lysine and calcium metabolism in humans. Nutrition. 1992;8(5):400-405. PMID: 1486246
  5. Griffith RS, Norins AL, Kagan C. A multicentered study of lysine therapy in Herpes simplex infection. Dermatologica. 1978;156(5):257-267. doi:10.1159/000250926
  6. Mailoo VJ, Rampes S. Lysine for Herpes Simplex Prophylaxis: A Review of the Evidence. Integr Med (Encinitas). 2017 Jun;16(3):42-46. PMID: 30881246
  7. Isidori A, Lo Monaco A, Cappa M. A study of growth hormone release in man after oral administration of amino acids. Curr Med Res Opin. 1981;7(7):475-481. doi:10.1185/03007998109114287
  8. Smriga M, Ghosh S, Mouneimne Y, Pellett PL, Scrimshaw NS. Lysine fortification reduces anxiety and lessens stress in family members in economically weak communities in Northwest Syria. PNAS. 2004;101(22):8285-8288. doi:10.1073/pnas.0402550101
  9. Rath M, Pauling L. Hypothesis: Lipoprotein(a) is a surrogate for ascorbate. PNAS. 1990;87(16):6204-6207. doi:10.1073/pnas.87.16.6204
  10. Flodin NW. The metabolic roles, pharmacology, and toxicology of lysine. J Am Coll Nutr. 1997;16(1):7-21. doi:10.1080/07315724.1997.10718644

 

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